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Treibgut

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Alexander Freund
Zum Anfang
"Vielleicht da drüben?"

Unterhalb einer
hufeisenförmigen Steinküste
lag ein scheinbar einsamer Strand,
auf den sanft die Wellen schlugen.

Oberhalb der Klippe standen inmitten
hoher Bäume vereinzelt ein paar Häuser.


Zum Anfang
"Sieht absolut perfekt aus",
begeisterte sich Kris und
sah mich abenteuerlustig an.

Sommersprossen umtanzten ihre Nase,
die Sonne hatte ihre Haare gleisendblond werden lassen. 

Das Lederband,
an dem die Muschel zwischen
ihrem Bikinioberteil hin- und herpendelte,
wirkte gefährlich brüchig.
Zum Anfang
Seitlich von dieser Bucht
zog sich die Steilküste
zu beiden Seiten kilometerlang hin. 


Die dagegen anrennenden Wellen
wurden mit großer Wucht
von den schroffen Felsformationen
zurückgeworfen.

Zum Anfang
"Wir haben noch Reis, Nudeln, Pesto.
Ein paar Zwiebeln. Halbe Flasche Olivenöl.
Salz, Pfeffer. Sollte für´s Erste reichen."
 
"Und wenn es da Häuser gibt,
kommen wir sicher irgendwie weiter."    

"Sieht absolut genial aus.
Na los!"
Zum Anfang


Vier Tage lang waren wir nun schon
mit Ann und Steve auf der "Mistress"
die Küste entlanggesegelt.

Im Hafen von Lipsoi
hatten wir die beiden angesprochen,
ob sie uns nicht ein Stückweit
mitnehmen könnten.

Egal wohin.



Zum Anfang
Den beiden Endfünfzigern aus Südengland
schien diese Abwechslung
nicht unangenehm zu sein.

Ann wirkte schon ein wenig reisemüde
und gierte nach Gesellschaft.

Und auch Steve erzählte gerne und viel
von seinem Boot und dem Meer,
von seinen Reisen
und seinen nächsten Zielen.
Zum Anfang
Wir verstanden uns auf Anhieb
und soweit es überhaupt notwendig war,
versuchten wir beide uns irgendwie
an Bord nützlich zu machen.
Kartoffel zu schälen,
Fisch auszunehmen.

Die meiste Zeit aber lagen Ann,
Kris und ich auf Deck und Steve
steuert das stolze Segelschiff
- eine echte Schönheit mit edlem Holzdeck
und ausreichender Segelfläche.


Zum Anfang
Abends aßen wir den unterwegs
gefangenen Fisch, erzählten,
tranken und lachten viel.

Inzwischen aber hatten Kris und ich wieder
das brennende Bedürfnis nach Einsamkeit
und den beiden ging es vermutlich nicht anders.

Irgendwie fühlten sich alle in der Enge des Bootes ständig beobachtet und jede Zärtlichkeit schien absolut unpassend.



Zum Anfang
Ungeduldig suchte ich die Küste
nach einem geeigneten Ort ab,
doch die steilen Felsen boten
keinerlei Anlaufpunkt.

An diesem Morgen aber hatte ich ein
kleines, in den Hang gebautes Dorf gesehen, und unterhalb einen kleinen Hafen.
Zum Anfang
Jetzt endlich diese Bucht!

Ann und Steve hatten zwar Verständnis
für unseren Wunsch nach Einsamkeit,
doch in die Bucht konnte uns Steve nicht bringen.

Die Mistress hatte zu viel Tiefgang und
einzelne Schaumkronen auf den Wellen
verrieten die unter der Wasseroberfläche
schlummernden Riffe.
Zum Anfang
"Lass uns doch die Rucksäcke
auf unseren Plastikfrosch binden
und dann schwimmen wir an Land. 
Ist doch nicht so weit!
Was meinst Du", fragte mich Kris,
ohne eine Antwort zu erwarten.

Wenige Minuten später umarmten wir die
beiden, versprachen uns, in Kontakt zu bleiben,

Ann wischte sich mit dem Handrücken
eine Träne weg und Steve klopfte mir
altväterlich auf die Schulter.


Zum Anfang
Wir zogen unsere Flossen an, spießten den
Dreizack meiner Harpune in eine Klopapierrolle,
beluden unseren hellgrün gepunkteten,
breitgrinsenden Frosch
und paddeln so Richtung Strand.

Ann und Steve winkten uns lange nach,
doch schon bald mussten wir kräftig
gegen die starke Strömung ankämpfen,
die uns in Richtung eines Felsen trieb.
Zum Anfang
Trotzdem schien Kris jede Sekunde zu genießen.
Sie strahlte und kämpfte entschlossen gegen die Wellen an.

Ich dagegen klammerte mich ängstlich an den Haltegriff des Frosches.

Plötzlich packte uns eine große Welle und schleuderte uns Richtung Felsen.

Kris schrie irgendwas, ließ den Frosch los.
Ich krallte mich weiter an den Griff und wurde
wenig später gegen den Fels geschleudert.

Zum Anfang


Der Frosch dämpfte glücklicherweise
den Aufprall, die äußere Kammer platzte
mit einem lauten Knall und der Frosch
und ich stürzten in ein Wellental.

Für Sekunden
verlor ich völlig die Orientierung.

Zum Anfang
Wieder an der Oberfläche entdeckte ich aber
zum Glück Kris und den schlaff treibenden
Frosch mit unseren Rucksäcken.

Der Felsen war bereits zehn,
fünfzehn Meter hinter uns.

Kris sah mich verängstigt an,
schwamm zu mir,
strich mir über den Kopf
und gab mir einen Kuss.



Zum Anfang
In der Bucht war das Meer schlagartig
ruhig und so trieben wir mit den
durchnässten Rucksäcken zum Strand.

Völlig erschöpft,
aber auch berauscht krochen wir an Land
und fielen uns in die Arme.

"Wow, heftige Brandung hier!"
Zum Anfang

Der Strand war noch viel zauberhafter,
als wir erhofft hatten.
Unterhalb der Steilküste hatte sich ein
etwa dreißig Meter breiter Streifen
aus feinstem Sand angesammelt.

Weiter hinten gab es größere Steinblöcke. Vereinzelt lagen ausgewaschene Hölzer
und anderes Treibgut herum,
aber zum Glück kaum Müll.


Zum Anfang
An den Seiten der Bucht
standen einzelne Bäume und hohe Gräser.

Das Wasser war klar
und mit bloßem Auge waren
ein paar bunte Fische zu sehen.

Überglücklich sahen wir uns an.
Zum Anfang

Kris zog die triefendnassen T-Shirts,
das Airwave-Kapuzenshirt und ihr
gepunktetes Kleid aus dem Rucksack
und inspizierte missmutig jedes einzelne Kleidungsstück.

Aus der Seitentasche meines Rucksacks
kramte ich die Wäscheleine hervor und
spannte sie zwischen zwei Sträucher.


Zum Anfang
"Wo sind wir hier eigentlich?"
"Keine Ahnung." 
Die Frage hatte ich mir auch schon gestellt.

"Irgendwo an der griechischen Ostküste.
Hoffe ich zumindest.

Ich meine, vielleicht ist das auch schon türkische Küste".

Skeptisch sah mich Kris an,
als sie die Wäsche ausbreitete.

Zum Anfang
"Ist doch egal!

Wir bleiben erst mal hier und schauen später weiter!"

Kris musterte die Bucht,
schirmte die Augen vor der gleißenden Sonne ab,
als sie die steile Klippe hochsah.
Auch die Mistress war nicht mehr in Sichtweite.

Lächelnd kam Kris auf mich zu
und umarmte mich endlich.
Zum Anfang


Es ist unglaublich!    
                     
Wir sind hier völlig alleine!







Zum Anfang
Wir sanken eng umschlungen zu Boden,
küssten uns, blickten auf das Meer.

Später schlief Kris ein Weile in meinem Schoß.

Gegen Mittag bekamen wir allmählich Hunger
und vor allem Durst.

Wir packten das Wichtigste in ihren Tagesrucksack
und suchten zwischen dem Geröll und den Gräsern
einen Weg nach oben.





Zum Anfang
Die Felswand war sehr porös,
immer wieder rutschten wir ab.
Erst nach einer Weile fanden wir
schließlich einen Trampelpfad.  

Oben allerdings
erwartete uns nicht allzu viel.

Die Häuser, die wir vom Meer aus gesehen
hatten, waren ziemlich heruntergekommene
Baracken, vermutlich Kasernen.
Zum Anfang
Um das kleine sich anschließende Wäldchen
waren meterhohe Stacheldrahtzäune,
dreifach hintereinander gereiht.

Dahinter erstreckte sich bis zum Horizont
eine weitgehend karge Ebene,
durch die eine schurgerade Straße
direkt zu diesem Gebiet führte.

Und nirgendwo eine Menschenseele.
Zum Anfang
"Wo zum Teufel sind wir", 
fragte sich nicht nur Kris.

Sie hielt sich die rechte Hand über die Augen,
leckte sich den Schweiß von der Oberlippe
und musterte den Horizont,
an dem es einfach nichts
zu entdecken gab.



Zum Anfang
"Ich weiß auch nicht.

Vermutlich ist das irgendeine
militärische Anlage oder so.

Jedenfalls ist hier offenbar niemand.

Aber so leicht kommen wir auch nicht weiter."
Zum Anfang



Die Fenster und Türen der Baracken
waren allesamt verrammelt.
Auf einigen Türen standen Zahlen.

Ein leises Brummen führte uns
zu einem verschlossenen Generatorhaus,
das offenbar den mittleren Zaun
mit Starkstrom versorgte.  
Zum Anfang
Zum Anfang
Auf dem Rückweg entdeckte ich an
einem der Häuser einen Wasserhahn,
der zum Glück nach einigem Gluckern
tatsächlich rostfarbenes Wasser ausspuckte.

"Immerhin.
Schmeckt gut!
Verdursten müssen wir jedenfalls nicht."

Wir füllten unsere Wasserflaschen
und gingen zügig wieder nach unten.


Zum Anfang
"Zumindest gehört uns der Strand ganz allein.
Hier ist mit Sicherheit niemand weit und breit!"

"Geil!

Aber ich hab´ mächtig Hunger",
sagte Kris erwartungsvoll.

Also schnappte ich mir meine Harpune
samt Flossen und machte mich sogleich
auf die Jagd nach unserem Mittagessen.
Zum Anfang

Als ich mit stolzgeschwellter Brust
und drei Fischen zurückkam,
saß Kris nackt vor einem kleinen Feuer
und wedelte den Flammen mit einem
angeschwemmten Brettchen Luft zu.

Ihre dunklen Brustwarzen wackelten im
Rhythmus, Sand klebte an ihrem Flaum.

Sie sah mich mit leicht zugekniffenen Augen
an, ein Lächeln umspielte ihren Mund.


Zum Anfang
Ich hielt die Fische hoch,
machte eine Art Urlaut, 
streifte meine Shorts ab und freute mich,
dass sie so unbekümmert wie lange nicht mehr lachte.

Wir aßen neben einem Felsen,
erzählten, liebten uns,
erfrischten uns im glasklaren Wasser.
Dösten vor uns hin,
bis die ersten Sterne am Himmel glitzerten.
Zum Anfang

"Was fehlt dir?"

"Keine Ahnung.
Sag´s mir!"




              

               
Zum Anfang

Erst als es allmählich empfindlich kalt wurde,
breiteten wir unterhalb der Steilwand unsere
Schafsäcke aus.

Kris erzählte mir von ihrem ersten Semester,
von Kommilitonen, die ich nicht kannte.

Wir waren bereits seit einigen Wochen unterwegs, aber ich wusste noch immer nicht,
warum sie nicht weiterstudieren wollte.




Zum Anfang
Aber ich wusste ja selber nicht,
wie es bei mir weitergehen sollte.
Aber das war auch egal.
Wie lebten im Hier und im Jetzt.

Der Stand strahlte die Hitze des Tages ab,
das Meer schlug im immer gleichen Rhythmus
auf den Strand,
darüber unser Hotel der Milliarden Sterne. 
Zum Anfang
Ein leises Tippeln weckte mich irgendwann.

Ich horchte in die Nacht,
doch eigentlich hörte ich nur
das rhythmische Schlagen der Wellen.

Wolken zogen
in rascher Folge am Mond vorbei.


Zum Anfang
Das Tippeln wurde lauter.
Auch am Fußende meines Schlafsacks.

Verunsichert suchte ich meine Taschenlampe
und leuchtete vergebens den Strand ab.

Plötzlich hörte ich nicht weit von uns entfernt
einen dumpfen Schlag.

Ich schreckte hoch.
Kris wurde ebenfalls wach.
Zum Anfang


Was ist los?


Keine Ahnung.

Da war so ein komisches Geräusch.

Wo?

Da vorne irgendwo.
Es klang wie ...
Zum Anfang

In diesem Moment waren
kurz hintereinander erneut
zwei dumpfe Schläge zu hören.

Wir sprangen verängstigt auf,
hielten uns an der Hand.
Doch im schmalen Kegel der Taschenlampe
war nichts Ungewöhnliches zu sehen.

Sekunden später streckte mich
ein extrem harter Schlag zu Boden.



Zum Anfang
Kris leuchtete mich an und schrie,
als sie mein blutbedecktes Gesicht sah.
Ein etwa faustgroßer Stein hatte mich
an der Stirn getroffen und die Platzwunde
blutete fürchterlich.
Sie leuchtete nach oben ins Nichts.

Hektisch schleppte sie mich zum Meer,
wusch mir das Gesicht.

Ich war völlig benommen,
das Salzwasser brannte schrecklich.


Zum Anfang
"Wo kommen die Steine her", fragte Kris aufgeregt.
"Wirft jemand nach uns?"

"Nein, kann ich mir nicht vorstellen",
versuchte ich zu beruhigen,
obwohl unterhalb der Steilwand jetzt ständig
solche dumpfen Schläge zu hören waren.

"Da ist niemand. Nein.
Keine Ahnung."

Ich versuchte meine Gedanken zu sammeln.



Zum Anfang
"Da wirft bestimmt keiner was runter.
Ich weiß auch nicht,
wieso die Steine runterfallen." 

"Vielleicht ...  vielleicht bläst der Wind …
die kalte, nasse Luft gegen die Steilwand.
Und dann platzten da diese Brocken weg."

"Bist Du sicher?"


Zum Anfang
"Nein! Aber hier ist doch niemand.
Ich weiß auch nicht."

Kris zitterte, machte mir aus ihrem
um die Hüfte geschlungenen Tuch
provisorisch eine Art Verband.

Die restliche Nacht verbrachten wir
eng umschlungen,
aber frierend nahe am Wasser,
weil wir uns nicht mehr trauten,
die Schlafsäcke zu holen.
Zum Anfang
Am nächsten Morgen erinnerten nur
einzelne verstreute Steine an das
Bombardement der vergangenen Nacht.

"Wenn wir noch was hier bleiben,
müssen wir da vorne bei den Gräsern schlafen,
da liegen keine Steine."

Kris nickte verfroren.
Schlaftrunken wärmten wir uns in der Morgensonne.

Trotz der fürchterlichen Nacht
entschieden wir uns zu bleiben.
Zum Anfang
Bei unserem nächsten Erkundungstrip
nach oben fanden wir hinter den Baracken
eine Art Zucchini.

Ein Feigenbaum trug reichlich Früchte
und es gab köstliche Kaktusfeigen.

Außerdem war es vergleichsweise einfach,
in der Bucht kleine Tintenfische und verschiedene Fischarten zu schießen.

Zum Anfang
Irgendwann konnte ich Kris
sogar dazu überreden,
eine getrocknete und anschließend
geröstete Qualle zumindest zu probieren.

Vier wundervolle Tage vergingen
und wir genossen unser kleines Paradies.

Zum Anfang
Jeder hatte seine klaren archaischen Aufgaben.
Kris kochte und sammelte alles,
was sich irgendwie gebrauchen ließ.
Und ich jagte und baute uns aus dem Treibgut alles Mögliche. Einen Tisch, eine Sonnenuhr. Ein Windrad.

Wir schwammen viel, aßen,
was uns die Natur schenkte,
und vergaßen die Welt um uns herum.  




      


Zum Anfang
Inzwischen hatte sich ihre empfindliche Haut
an die gleißende Sonne gewöhnt und ich
konnte mich an ihr einfach nicht satt sehen.

Die Umrisse ihres Bikinis waren kaum noch
zu erkennen. Je nach Lust liebten wir uns am Strand und wenn der Abend kam, rollten wir uns seitlich
an den Bäumen zusammen,
wo wir vor den herabfallenden Steinen
sicher waren.
 
Zum Anfang


In der ganzen Zeit sahen wir nicht
ein einziges Schiff am Horizont
und auch in dem Militärgebiet
ließ sich offenbar niemand blicken.
Zum Anfang
Bis Kris eines Abends irgendetwas
am Anfang der Bucht im Meer treiben sah.

Ich konnte im Dämmerlicht zunächst
nichts erkennen, aber Kris war sich sicher.

"Wo denn? Ich erkenne nichts.
Wo siehst Du denn was?"

"Da drüben! Irgendwas Weißes. Da hinten!"
Kris deutete ins Dunkel.
"Ein Boot.
Nein, ein Surfboard, glaube ich!"


Zum Anfang
Trotz Mondschein sah ich nur
einen helleren Stich,
aber Kris war sich sicher.

Irgendwie schien sie von mir zu erwarten,
dass ich hinausschwimme.
Aber so sehr ich das Meer auch bei Tage mag,
nachts war es mir immer schon unheimlich.


Zum Anfang
Mich kostete es echte Überwindung,
aber schließlich stieg ich ins schwarze Meer.
Hektisch schwamm ich los,
um mein Ziel möglichst schnell zu erreichen.

Als ich an ein Stück Seegras oder ähnliches stieß,
schrie ich kurz auf, schob es dann aber mit
kurzen, ängstlichen Handbewegungen zur Seite.
Zum Anfang
Mich schauderte beim Gedanken
an das unsichtbare Leben unter mir.  

Endlich erreichte ich tatsächlich ein Surfboard,
das seltsam veralgt und ganz glitschig war.

Also schob ich es mit einigem Abstand
vor mir her in Richtung Strand.

Zum Anfang
Inzwischen war es stockfinster.

Die Strömung hatte mich offenbar
zum anderen Ende der Bucht getrieben
und Kris leuchtete mir zum Glück
vom Land aus den Weg.

"Du hattest Recht!
Es ist ein Surfboard",
rief ich, als ich endlich näher kam.  


Zum Anfang
Kris nahm mich ungeduldig in Empfang,
wir zogen das nicht gerade gut riechende Brett
an den dunklen Stand und gingen zurück zu
unserem Schlafplatz.

Ich brauchte lange, bis mir wieder halbwegs
warm war und hatte erstaunlicherweise
keine Lust auf irgendwelche Zärtlichkeiten.
Zum Anfang
Ihr gellender Schrei
weckte mich am nächsten Morgen.
Ich sprang sofort auf und rannte zu Kris.

Sie kam mir weinend entgegengelaufen.
"Was ist? Kris, was ist los?"

Sie war außer sich.
Atmete hektisch, fuchtelte mit den Händen.
Ihre Augen waren kalt und voller Angst.

Zum Anfang
"Das Surfbrett! Es ist schrecklich!"
"Was? Was ist mit dem Brett", fragte ich,
doch Kris ließ sich nicht beruhigen,
rannte zu unserem Lager.

Ich wusste nicht, ob ich ihr folgen
oder besser nachsehen sollte.

Ich entschied mich, vorsichtig zum Brett zu gehen.
Unzählige Fliegen krabbelten über das Brett,
ein süßlicher Gestank lag in der Luft.
Zum Anfang
Erst aus der Nähe erkannte ich den Surfschuh,
der in einer Schlaufe gehangen hatte.
Im Schuh steckte ein abgerissener Fußstumpf.

Kleine Fliegen saßen auf den
durchgetrennten Sehnen,
dazwischen ließ sich ein Stück
Knochen erahnen.

Mein Magen zog sich zusammen,
ich unterdrückte meinen Würgreiz.



Zum Anfang
Ich wandte mich ab, rannte los.

Weg von dem Brett.
Stolperte zu Kris,
die mit aufgerissenen Augen
auf dem Boden kauerte,
die Fäuste vor den Mund.

"Verdammt, was ist das?"
Wo kommt das her?
Es ist so ekelhaft",
schrie sie mich an.
Zum Anfang
Zum ersten Mal seit Tagen hatte sie sich
etwas angezogen, zitterte am ganzen Körper.

Es dauerte Stunden, bis sie sich gefasst hatte.
Immer wieder sahen wir zu dem Brett
auf der anderen Seite der Bucht hinüber,
ohne zu wissen, was wir tun sollten.

Erst am Nachmittag konnten wir uns
allmählich aus der Starre lösen.
Zum Anfang
"Vielleicht ist da draußen irgendwo
ein Surfer verunglückt.
Und wurde hier angeschwemmt."

"Aber so ein Fuß reißt doch nicht einfach so ab!
Und wo bitte ist der Rest von dem Surfer",
empörte sich Kris.

"Ich gehe jedenfalls nicht mehr ins Meer!
Und ich esse auch nichts mehr aus dem Meer!"
Zum Anfang
"Wahrscheinlich haben da auch irgendwelche
von Deinen Fischen dran rumgeknabbert.
Ich will hier weg! Hörst Du?"

Kris zitterte am ganzen Körper.

Ich sah sie ratlos, vielleicht auch enttäuscht an. Doch ihre Augen ließen keinerlei Zweifel.  

Wir schwiegen lange. Kauerten uns hin.
Zum Anfang
Allmählich gewöhnte ich mich an den Gedanken,
dieses Paradies bald verlassen zu müssen.

Und langsam wurde mir auch klar,
dass dies gar nicht so leicht war.

Die Strömung, die schroffen Klippen,
oben der Stachelzaun.

Aber ich wusste nicht,
wie ich das Kris klarmachen sollte.  



Zum Anfang
"Du hast Recht! Wir müssen hier weg! 
Schon klar", nickte ich ihr zu,
doch sie sah mich nicht an.

"Aber das dürfte schwierig werden."

Voller Entsetzen blickte sie auf,
noch nie zuvor hatte ich solch
einen Blick bei ihr gesehen.
 
"Wieso?"

Zum Anfang
"Naja", zögerte ich.

"Oben ist Stacheldraht.
Außerdem ist da meilenweit nichts.
Und hier ist nur das Meer."

"Auf keinen Fall geh ich hier noch mal ins Meer", sagte sie bestimmt.

"Ich weiß", versuchte ich zu beruhigen.



Zum Anfang
"Aber das da oben ist vermutlich
eine militärische Einrichtung.
Von den Griechen.
Vielleicht aber auch von den Türken.

Und die Zäune sind mit Starkstrom gesichert. Da können wir nicht einfach so durch."

"Das ist mir egal. Hörst Du! Ich will hier weg! Und zwar so schnell wie möglich", 
schrie sie hysterisch, sprang auf und begann ihren Rucksack zu packen.  
Zum Anfang
Um eine weitere Eskalation zu vermeiden,
packte auch ich schnell alles zusammen.

Ich hatte den Rucksack noch nicht halb gefüllt,
da stolperte sie schon den Trampelpfad nach oben.

  

Zum Anfang
Als ich schließlich auch oben ankam,
rannte sie hilflos an den Zäunen entlang.

Ich rannte ihr nach und konnte
sie schließlich festhalten.

Sie zitterte vor Aufregung.

Zum Anfang
"Können wir nicht den Strom abstellen
und rüber klettern?"

"Wir kommen doch gar nicht in das Traffohäuschen.

Außerdem ist das Starkstrom!
Das geht nicht.

Die kommen sicherlich gleich mit einer Hundertschaft, wenn wir uns hier
am Zaun zu schaffen machen."

Zum Anfang
"Und drunter durch buddeln?"

Ich sah sie an.  

"Kris, es tut mir leid.

Schau doch mal.
Da ist ein Betonfundament unter dem Sand.
Siehst Du, da!

Ich will selber hier weg,
aber das wird nicht einfach."


Zum Anfang


Sie klammerte sich ängstlich an mich,
ihr Herz raste.

Wir blieben so für eine Weile
und all unsere Gedanken
kreisten um einen Ausweg.  


Zum Anfang
"Besser wäre wahrscheinlich,
wenn wir jenseits der Bucht
irgendwo hochsteigen",
sagte ich schließlich.

"Aber die Strömung ist verdammt stark
und außerdem ist da ja erst einmal kilometerlang Steilküste."
Zum Anfang
"Am Morgen vor unserer Ankunft, erinnerst Du Dich?

Da habe ich doch in dieser Richtung
eine Art Dorf gesehen.
Am Hang, mit einem Hafen." 

"Aber das waren einige Kilometer.
So weit können wir auf keinen Fall ..."
Zum Anfang
"Ich geh nicht noch einmal ins Meer!
Vergiss es!"

"Hör mal!
Ich überlege ja nur,
wie wir hier wegkommen."

Zum Anfang
Sie stieß mich zur Seite, ging weg,
blieb in einiger Entfernung stehen,
machte ein paar unschlüssige Schritte,
setzte sich schließlich
entmutigt in den Staub.



Zum Anfang
Nach einer Weile ging ich zu ihr,
setzte mich neben sie
und wir schwiegen uns an.

Sie hatte geweint.

Ihre fremde Kälte machte mir Angst.
Sie zitterte immer wieder.

Zum Anfang

Ich behielt meine Gedanken für mich,
reichte ihr meine Trinkflasche,
aber sie verweigerte alles.

Über der weiten Ebene flirrte die Sonne.


Zum Anfang

"Wir müssten eine Art Boot bauen.
Oder ein Floß."

Sie kniff die Augenbraue zusammen.

"Wie bitte willst Du denn ein Floß bauen?"

"Keine Ahnung.
Aus dem Treibgut?"
Zum Anfang
Entsetzt sah sie mich an.

"Du denkst doch wohl nicht etwa
an dieses Surfboard?"

Weil ich offenkundig nicht schnell genug widersprach, sprang sie auf. 

"Spinnst Du total? Glaubst Du wirklich ..."

Sie rannte los und ich hatte große Mühe,
sie zu stoppen.
Zum Anfang

Kurz vor dem stark gesicherten Tor
fing ich sie schließlich ab.
Versuchte sie in den Arm zu nehmen,
aber sie stieß mich zurück.

"Das war so eine Scheißidee,
ausgerechnet hier an Land zu gehen",
kläffte sie mich an.  

Ich wich zurück,
denn sie traf mir ins Herz.

Zum Anfang
"Hör mal, wir hatten doch ..."
"Was hatten wir", schrie sie.
"He? Verrat es mir! Was hatten wir?"  

Verletzt ließ ich sie erst einmal stehen
und ging zurück zu den Baracken,
wartete,
überlegte,
ärgerte mich.


Zum Anfang
Als ich schließlich zu ihr zurückkam,
saß sie zusammengekauert an
dem verrammelten Eingangstor
und weinte.

Ihre Augen waren ganz geschwollen,
Rotze lief ihr aus der Nase.

Zum Anfang
"Warum?
Warum musste das plötzlich so enden",
fragte sie tränenerstickt.

Ich setzte mich zu ihr. 

In einer guten Stunde würde die Sonne
im Meer versinken und die Bucht
in ein goldenes Licht tauchen.

"Keine Angst, wir sind hier bald weg",
log ich.
Zum Anfang
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